Was bedeutet Anthropozän?
„Menschenzeit“, so lautet der Titel eines Buchs des Wissenschaftsjournalisten Christian Schwägerl, in dem er 2010 darauf aufmerksam macht, welche enormen Einfluss der “künstlich wärmende Effekt menschlicher Handlungen” hat (vgl. Schwägerl 2010, S. 19). Schwägerl kritisiert mit Nachdruck die Kurzsichtigkeit menschlicher Entscheidungen in Bezug auf die Gestaltung unseres Lebensraums. Der Einfluss menschlichen Handelns auf den Zustand der Welt wird deutlich, wenn man darüber nachdenkt, was von uns in den Steinschichten abgelagert haben wird. Bunte Plastikteile sind in diesem Kontext sicherlich nur eine Form der Hinterlassenschaften der Menschheit. Schwägerls Buchtitel liefert demzufolge eine gute Übersetzung für den Begriff des Anthropozäns. Diesen Begriff schlugen die Wissenschaftler Paul Crutzen und Eugene Stoermer im Jahr 2000 vor, um das aktuelle geologische Zeitalter als Anthropozän zu bezeichnen und den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die Erde zu markieren. Einige Jahre später präzisierte Crutzen diese Gedanken und verkündete eine ‚Geologie der Menschheit‘, in der er die kulturelle und naturgestaltende geologische Kraft des Menschen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts betonte (vgl. Crutzen 2023, S. 23). Reinhold Leinfelder erweitert das Konzept des Anthropozäns in Bezug auf die gesellschaftliche Verantwortung aller und sieht darin ein Potenzial für grundlegende Veränderungen. Es konnte als bedeutendes wissenschaftliches und normatives Leitprinzip dienen, um eine umfassende Transformation hin zur Nachhaltigkeit zu fordern, wobei auch eine Zukunftspflicht aller gesellschaftlichen Gruppen gegenüber adressiert wird (vgl. Leinfelder 2017, S. 259). Der Begriff wird auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften mittlerweile als interdisziplinärer Forschungsgegenstand verstanden und als Reflexionsbegriff genutzt, der dazu beitragen kann, die narrativen, historischen, philosophischen und ästhetischen Dimensionen zu reflektieren (vgl. Dürbeck 2015, S. 113).
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Mehr Informationen über die Geschichte des Anthropozän-Konzepts erhalten sie hier:
Dieses Video (Deutsches Museums, 2015: Geschichte des Anthropozän-Konzepts, https://www.youtube.com/watch?v=_kTAEbsTN5E) ist von der CC-Lizenzierung ausgeschlossen.
Ziel dieses Moduls zum Erzählen im Anthropozän ist es, zu reflektieren, inwiefern das Erzählen von der Zukunft als Perspektive auf gegenwärtiges Handeln Bedeutung erlangt (vgl. Barsch & Bartosch & Dannecker 2024).
Die Bedeutung von Narrativen für die gesellschaftliche Verhandlung ökologischer Krisen wird deutlich angesichts der These von Hoiß, dass auch der vieldiskutierte Reflexionsbegriff des Anthropozäns «als Narrativ zu lesen ist» (Hoiß 2017, 13). Die folgenden fünf Narrative im politischen und gesellschaftlichen Diskurs dienen dazu, komplexe Fragestellungen zu ordnen. Dabei spielen drei erzählerische Elemente eine wichtige Rolle: der Plot, die Darstellung von Opfern, Schurken und Helden sowie die Moral der Geschichte. Im politischen Diskurs können Geschichten mit Opfern Mitgefühl oder Wut hervorrufen, Geschichten mit Schurken Empörung und Zorn, und Geschichten mit Helden Bewunderung, Unterstützung und Nachahmung.
Gabriele Dürbeck (2018): Das Anthropozän erzählen: fünf Narrative. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/269298/das-anthropozaen-erzaehlen-fuenf-narrative/