Weitere praktische Impulse
Bewegen im Wasser
Das Bewegen im Wasser nimmt besonders für das passive Bewegt-Werden sowie die aktive Eigenbewegung der Menschen mit Komplexer Behinderung eine besondere Rolle ein. Durch das Medium Wasser wird der Übergang zwischen passiver und aktiver Bewegung fließend. Aktive Eigenbewegungen können im Wasser intensiviert und erleichtert werden.1 Das Wasser mit der Eigenschaft des Auftriebs sowie hydrostatischem Druck, Wärmeleitfähigkeit und Widerstand ermöglicht dem Menschen intensive Erfahrungen mit dem eigenen Körper. Die Begebenheiten sind gut, um das taktile, vestibuläre und kinästhetische Sinnessystem anzuregen.2 Im Wasser werden aktive und selbstständige Bewegungen möglich, die an Land nicht ausführbar wären. Der Mensch mit Komplexer Behinderung kann somit den eigenen Körper und seine Bewegungsmöglichkeiten neu wahrnehmen und kennenlernen. Das spielerische Erleben von der Vielfalt an Reizen im Wasser sollte für die Personengruppe im Vordergrund stehen. Dabei gilt es zu beachten, dass etwa die Gefahr einer Überbelastung des Kreislaufs besteht oder Verunsicherungen ausgelöst werden können.3
Spiele
Die angepassten Spielformen gehören zu den bereits vorgestellten Erfahrungsbereichen von Bewegung.4 Menschen mit Komplexer Behinderung haben meist Schwierigkeiten, aktiv einen Spielraum um sich herum zu entwickeln.5 Im Alltag des Personenkreises ist oft nur wenig Raum für zweckfreies Spielen gegeben. Dabei ist Spielen ein Bedürfnis jedes Menschen und in allen Lebensphasen für die Entwicklung zentral. Im Spiel wird eine Auseinandersetzung mit Emotionen möglich, Fähigkeiten können entdeckt werden und die Ich-Identität und Kreativität gefördert werden. Bei vielen Aktivitäten im Alltag findet Spiel unbewusst statt, so auch bei Bewegung und Sport. Für Menschen mit Komplexer Behinderung ergeben sich Schwierigkeiten, da sie etwa herkömmliche Spielgegenstände nicht greifen können oder Spielregeln nicht verstehen.6 Die Kleinen Spiele als Teil der Bewegungsspiele können flexibel gestaltet und angepasst werden. So können gerade heterogene Gruppen eine gemeinsame Spielsituation erleben. Steht die Bewegungsfreude im Vordergrund, kann die Motivation hochgehalten und positive Bewegungserfahrungen geschaffen werden.7
Boccia
Boccia eignet sich für den (Wettkampf-)Sport von Menschen mit Komplexer Behinderung, kann aber ebenso in heterogenen Gruppe und in inklusiven Settings durchgeführt werden.8 Der Ball kann sowohl mit der Hand, mit dem Fuß als auch mit einer Abrollhilfe (Rampe, Rinne) gerollt oder geworfen werden. Abrollhilfen werden von Assistent*innen je nach Anweisung des Spielers (Sprache, Gestik, Mimik) oder der Spielerin ausgerichtet und gehalten. Der Ball kann dann mit einem Hilfsgerät (Stab, Headpointer, Anstoßhilfe) oder ohne gespielt werden.9 Um einen Eindruck von den Möglichkeiten des Boccias zu bekommen, schauen sie sich das Video des bvkm unter diesem Link auf youtube an.
Zum Abschluss schauen Sie sich gerne die Videos des niederländischen Programms „De Kracht van Eenvoud“ (The power of simplicity) an, um einen Eindruck zu gewinnen, wie einfach es sein kann, Bewegung mit Freude in den Alltag der Menschen mit Komplexer Behinderung zu bringen. Die Videos sind aus der CC-Lizenz des Lernmoduls ausgeschlossen und auf der Plattform Vimeo zugänglich, wenn sie sich dort anmelden: https://vimeo.com/showcase/4274053
Literatur
1 Anneken, V. (2012). Bewegung und Sport von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. In N. J. Maier-Michalitsch & G. Grunick (Hrsg.), Leben pur – Freizeit bei Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 50-60). Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. S. 53
2 Laffers, K. & Schoo, M. (2010). Bewegen im Wasser – Schwimmen. In M. Schoo (Hrsg.), Sport für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen (S. 94-125). München: Ernst Reinhardt. S. 101
3 Häusermann, S. (2019a). Bewegungen und Sport im Wasser. In PluSport Behindertensport Schweiz (Hrsg.), Sport ohne Grenzen. Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 52-59). Herzogenbuchsee: INGOLDVerlag. S. 26f.
4 Knauf, B. (2002). Praktische Aspekte der Arbeit mit mehrfachbehinderten Menschen an Beispielen aus dem Bereich der Hallenangebote. In P. Kapustin, R. Kuckuck & V. Scheid (Hrsg.), Bewegung und Sport bei schwer- und mehrfachbehinderten Menschen (S. 104-157). Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
5 Fröhlich, A. (2015). Basale Stimulation – ein Konzept für die Arbeit mit schwer beeinträchtigten Menschen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes Leben. S. 81
6 Lang, A. & Maier-Michalitsch, N. (2020). Vorwort der Herausgeberinnen. In A. Lang & N. Maier-Michalitsch (Hrsg.), Spielen bei Menschen mit Komplexer Behinderung (S. 6-7). Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. S. 6
7 Scheuer, T. (2014). Bewegungsspiele: Kleine Spiele. In R. Schliermann, V. Anneken, T. Abel, T. Scheuer & I. Froböse (Hrsg.), Sport von Menschen mit Behinderungen. Grundlagen, Zielgruppen, Anwendungsfelder (S. 145-154). München: Elsevier. S. 146ff.
8 Schoo, M. & Mihajlovic, C. (2021). Sport, Spiel und Bewegung für Menschen mit mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
9 Häusermann, S. (2019b). Bewegungen und Sport in der Halle. In PluSport Behindertensport Schweiz (Hrsg.), Sport ohne Grenzen. Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 44-51). Herzogenbuchsee: INGOLDVerlag. S. 51