Versorgungssituation
Was passiert nun nachdem eine psychische Störung vermutet oder bereits festgestellt wurde?
Nachdem eine umfassende Diagnostik durch eine*n Psycholog*in erfolgt ist, kann diese*r eine Psychotherapie und unter Umständen ergänzend dazu eine Psychopharmakotherapie einleiten.
Die Möglichkeiten der Therapie und Behandlung psychischer Störungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung werden dabei seit langem kritisiert und als unzureichend und mangelhaft herausgestellt 1.
So vergaben Kinder- und Jugendpsychiatrien in einer Befragung von Hennicke 2008 für die stationäre Behandlung die Schulnote 4, für die ambulante psychotherapeutische Situation gar die Note 5 2.
Seither wurde zwar die Facharztausbildung um Inhalte zu psychischen Störungen bei lern- und geistig behinderten Menschen erweitert 3, dennoch gibt es gerade im ambulanten Bereich nach wie vor keine bedarfsdeckende Versorgung 4.
Eine ganzheitliche Versorgung ist grundlegend für den Erfolg jeglicher Behandlung 5 und bedarf meist sowohl einer Psychopharmakotherapie und einer Psychotherapie, als auch dem Einbezug verschiedener Systeme in die Therapien wie die Schule, das Elternhaus oder andere Bezugspersonen.
Literatur
1 Warnke, A. & Lehmkuhl, G. (2003): Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Versorgung von psychisch kranken Kinder, Jugendlichen und ihren Familien. 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer.
2 Hennicke, K. (2008): Zur Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung und psychischen Störungen in den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie in Deutschland. Ergebnisse einer Fragebogenuntersuchung. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 36, 127-134.
3 Schanze, C. & Schmitt, R. (2014): Psychiatrische Versorgung von Menschen mit Intelligenzminderung in Deutschland. In C. Schanze (Hrsg.), Psychiatrische Diagnostik und Therapie bei Menschen mit Intelligenzminderung. Ein Arbeits- und Praxisbuch für Ärzte, Psychologen, Heilerziehungspfleger und -pädagogen (S. 21-29). 2. Auflage. Stuttgart: Schattauer.
4 Sager, T. (2017): Möglichkeiten und Grenzen der Psychotherapie bei Menschen mit geistiger Behinderung. In G. Grunick & N. Maier-Michalitsch (Hrsg.), Leben pur – Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung (S. 39-53). Düsseldorf: Verlag selbstbestimmtes Leben.
5 Hennicke, K., Buscher, M., Häßler, F. & Goosen-Runge, G. (2009): Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP). Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.