Personenkreis
Geistige Behinderung betrifft Menschen, die aufgrund von Einschränkungen in ihren kognitiven Fähigkeiten, wie Denken, Lernen und Problemlösen, Schwierigkeiten haben, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben.
Diagnose und Einteilung
- Diagnose: Geistige Behinderung wird von der WHO im ICD-10-System anhand des Intelligenzquotienten (IQ) diagnostiziert.
- Einteilung: Diese diagnostische Vorgehensweise basiert auf einem normativen Verständnis von Behinderung, das, nach festgeschriebenen Parametern, zu einer Einstufung in die Schweregrade leichte, mittelgradige und schwerste Intelligenzminderung führt.
Kritik an der klassischen Sichtweise
Diese medizinische Sichtweise wird oft kritisiert, da sie nicht die gesamte Komplexität der Lebenssituation der Betroffenen widerspiegelt. Die defizitorientierte Perspektive, die den Fokus auf individuelle Einschränkungen legt, wird zunehmend durch kompetenzorientierte Ansätze ergänzt, die geistige Behinderung als soziales Konstrukt verstehen, das sich in Relation zur Gesellschaft und ihren Anforderungen verändert.
Neue Perspektive: Bio-psycho-soziales Modell
Im BTHG wird Behinderung nicht nur als persönliche Einschränkung verstanden, sondern auch als Ergebnis von Barrieren in der Umwelt und der Gesellschaft, die die Teilhabe behindern. Diese erweiterte Perspektive schließt auch Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen ein.
Herausforderungen bei der Definition von geistiger Behinderung
Der Begriff „geistige Behinderung“ ist in der wissenschaftlichen Diskussion umstritten, da er die Vielfalt der Erscheinungsformen nur unzureichend abbildet. Fornefeld (2009) betont, dass trotz seiner Bedeutung für die Beschreibung der betroffenen Personengruppe keine treffende Bezeichnung gefunden wurde. Der Begriff bleibt notwendig, wird jedoch als unzulänglich angesehen. Dederich (2009) beschreibt Behinderung als eine kontextabhängige Kategorie, die sich an soziale, kulturelle und normative Anforderungen anpasst.
Literatur
- Dederich, Markus (2009): Behinderung als sozial- und kulturwissenschaftliche Kategorie. In: Dederich, Markus; Jantzen, Wolfgang (Hrsg.): Behinderung und Anerkennung. Band 2 des Enzyklopädischen Handbuchs der Behindertenpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer. S. 15-39.
- Fornefeld, Barbara (2009): Grundwissen Geistigbehindertenpädagogik. München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag.
- Groß, Peter (2017): Personenzentrierte Behindertenhilfe. Individuelle Hilfen zum Wohnen für Erwachsene Mitbürger mit geistiger Behinderung. Oberhausen: Athena-Verlag.
- Theunissen, Georg; Kulig, Wolfram (2016): Wohnen von Menschen mit Behinderung in Deutschland. Bestandsaufnahme, Best Practice von Wohnprojekten für Erwachsene. In: Theunissen, Georg; Kulig, Wolfram (Hrsg.): Inklusives Wohnen. Bestandsaufnahme, Best Practice von Wohnprojekten für Erwachsene mit Behinderung in Deutschland. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag. S. 7-19.
- Weitzig, Svenja (2018): Ökonomische Bildung im Kontext Sozialer Arbeit. Am Beispiel der Menschen mit geistiger Behinderung im ambulant betreuten Wohnen nach § 53 SGB XII. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.