Rudolf Steiner und die Waldorfpädagogik

Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart von Emil Molt, einem Fabrikanten mit der Idee einer Schule für Arbeiterkinder, und Rudolf Steiner, der das theoretische Grundwerk dazu verfasste, eröffnet (Pätzold& Schmelzer, 2018).
Besonders an der Waldorfpädagogik war und ist, dass sie aus einer umfassenden Lebens-, Gesellschafts- und Weltbildreform entstand, die der Philosoph Rudolf Steiner konzipierte (Barz, 2018). Diese Lebensphilosophie nennt Steiner Anthroposophie. Sie geht grundsätzlich vom dreigliedrigen Menschen aus, der aus Körper, Geist und Seele besteht. Darüber hinaus besteht der Mensch aus vier Leibern: Dem physischen Leib (bestehend aus Mineralen), dem Lebensleib (bewirkt Wachstum und Stoffwechsel), dem Astralleib (trägt das Bewusstsein über Emotionen) und dem Ich-Leib (verleiht Freiheit und Urteilskraft), letzterer dem Menschen eigen ist. Das Zusammenspiel der vier Leiber ergibt den Charakter des Menschen. Rudolf Steiner statuiert, dass diese Leiber nacheinander in 7-Jahreszyklen entwickelt werden, und der Mensch demnach mit 21 Jahren seinen Ich-Leib erhält und zum freien, selbstständigen Wesen wird (Barz, 2018,92).

Diese und weitere Grundannahmen der Anthroposophie finden in der Waldorfpädagogik Beachtung wie Umsetzung. Die Methodik und Didaktik sind in der Praxis besonders durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:

  • Klassenlehrerprinzip in den ersten acht Schuljahren
  • Großer Klassenverband (früher um 40 SchülerInnen, heute wird dies nicht mehr überall durchgeführt)
  • Epochenunterricht (Beschäftigung mit einem Thema über einen mehrwöchigen Zeitraum aus verschiedensten Perspektiven)
  • Musische Elemente im Unterricht, Tanz als Pflichtfach (Eurythmie), Theaterprojekte und kreativ-handwerkliche Angebote
  • Verzicht auf Noten, Ziffernzeugnisse und Sitzenbleiben
  • Viele Praktika
  • Feste und Feiern in regelmäßigen Abständen
  • Altersspezifische Auswahl der Unterrichtsstoffe und Verbindung von Entwicklungsaufgaben mit Kompetenzen
    Waldorfschulen zählen grundsätzlich zu den staatlichen Ersatzschulen und sind alle im Bund der Freien Waldorfschulen zusammen geschlossen. Dieser Verband organisiert auch die Ausbildung zur/zum WaldorfpädagogIn.
    Einen umfassenden Überblick über die Grundlagen der Waldorfpädagogik, u.a. auch mit Blick auf die neuere empirische Forschung, bekommen sie in dem Aufsatz des Erziehungswissenschaftlers Heiner Ullrich: https://www.socialnet.de/lexikon/Waldorfpaedagogik
    Hier merkt Ullrich in durchaus kritischer Absicht an, dass Waldorfpädagogische Einrichtungen oft weltanschaulich geprägt sind und daher eigentlich nicht zur Reformpädagogik gezählt werden sollten. Interessanterweise wählen die Eltern diese Einrichtungen für ihre Kinder nur selten aus weltanschaulichen Gründen aus.

Videomaterial Erklärvideo Waldorfschule https://www.youtube.com/watch?v=DG0RUCSfjXA WaldorflehrerIn werden https://www.youtube.com/watch?v=yBWwb8tdP8E Internationale Waldorfpädagogen nehmen Stellung zu aktueller Bildung https://www.youtube.com/watch?v=tglSonolQ-U

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