Traumatisierte Menschen mit Komplexer Behinderung
Viele Menschen mit Komplexer Behinderung, die durch auffälliges Verhalten in den Blickpunkt geraten, die fremd- oder massiv autoaggressiv sind, haben unerkannte Traumafolgestörungen. In vielen Fällen wird das auffällige Verhalten durch die vorhandene Behinderung der Beeinträchtigung zugeschrieben und keine weitere Abklärung vorgenommen. Entsprechend benötigte Hilfsangebote für diese unerkannten Traumafolgestörungen bleiben aus, obwohl die Traumatisierungsraten bei Menschen mit Komplexer Behinderung sehr hoch sind.1
Wie äußert sich ein Trauma bei Menschen mit Komplexer Behinderung?
Die Kernsymptome einer Traumatisierung wie das Wiedererleben, die Übererregung und die Vermeidung werden auch bei Menschen mit einer Komplexen Behinderung sichtbar, teilweise jedoch atypisch. Klassifikationssysteme wie das ICD-10 oder das DSM-5 berücksichtigen die behinderungsbedingte Spezifik nicht, sodass bei einer Komplexen Behinderung das atypische Erscheinungsbild deutlich vom Kriterienkatalog abweicht. Um eine sichere Diagnose zu stellen, sind die Symptome aus diesem Grund oft nicht spezifisch genug, sind isoliert oder in nicht hinreichender Anzahl vorhanden.2
Wie hoch ist das Risiko?
Das Risiko für Menschen mit Komplexer Behinderung eine traumatisierende Lebenserfahrung zu machen ist signifikant erhöht. Sie erleben also häufiger als nichtbehinderte Personen traumatische Erfahrungen, insbesondere durch medizinische Eingriffe und interpersonelle Gewalt. Infolge eingeschränkter Bewältigungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten besteht bei ihnen ein beträchtliches Risiko für nachfolgende psychische Störungen. Dafür gibt es Gründe: Kinder und Jugendliche mit Komplexer Behinderung weisen deutlich mehr Risikofaktoren auf, die das Erleben einer traumatischen Lebenserfahrung begünstigen und verfügen über weniger Schutzfaktoren, um seelische Belastungen auszugleichen. Aus diesem Grund leben sie mit einer erhöhten Vulnerabilität in Bezug auf traumatische Erfahrungen.3
Im Akkordion finden Sie drei verschiedene Fallbeispiele für traumatisierte Kinder und Jugendliche mit einer Komplexen Behinderung. Klicken oder tippen Sie auf die Begriffe.
Literatur
1 Vgl. Mayer, B. (2018): Trauma-Pädagogik im Kontext geistiger Behinderung. In: Schäfer, H. / Mohr, L. (2018): Psychische Störungen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Grundlagen und Handlungsoptionen in Schule und Unterricht. Bad Langensalza: Beltz. S. 97.
2 Vgl. Grüter, Lena (2019): Verborgene Traumatisierung bei Menschen mit geistiger Behinderung erkennen uns den Traumafolgen diagnostisch begegnen. In: Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. S. 22.
3 Vgl. Hennicke, K. (2012): Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Lebenshilfe- Verlag: Marburg.