Digitalisierung
Foto von Umberto von Unsplash
Die Debatte um digitale Bildung ist oftmals geprägt durch Fragen rund um digitale Ausstattung, die Entwicklung von Medienkonzepten oder die Nutzung mobiler Endgeräte in der Schule und im Unterricht – um hier nur einige Aspekte zu nennen.
Schüler*innen benötigen aber Kompetenzen, die über das Bedienen und Anwenden digitaler Medien hinausgehen und auf die Teilhabe an der digitalen Welt vorbereiten: Problemlösekompetenz, Informations- und Recherchekompetenz sind nur einige Beispiele.
Hier gilt es also, sich als (angehende) Lehrkraft noch weiterführende Fragen zu stellen:
Was sind Chancen und Herausforderungen von digitaler Schule? Wie können wir Schüler*innen auf ein Leben in einer digitalisierten Gesellschaft vorbereiten? Welche Kompetenzen brauche ich, um diesen Anforderungen gerecht zu werden? Wie kann Schule digitaler werden? Wie können digitale Lernmaterialien meinen Unterricht unterstützen? …
Dieser Bereich führt in das Thema “Digitale Bildung” im Allgemeinen ein und leitet dazu an, sich mit der eigenen Mediennutzung und den eigenen Medienkompetenzen sowie mit denen der eigenen Schule und der Schüler*innen auseinanderzusetzen.
1. Grundlagen digitaler Bildung
Der öffentliche Bildungsdiskurs wird seit mehreren Jahren stark durch das Thema “Digitalisierung in der (Hoch-)Schule” beeinflusst; zudem ist “das Thema Lernen in digitalen Umgebungen […] zu einem zentralen Thema der Pädagogik geworden, um den Unterricht besonders unter dem Paradigma der Digitalität zu betrachten” (Vogler, S. 8). Doch Digitalisierung und Digitalität – was bedeutet das eigentlich?
Felix Stalder (2021), Professor für Digitale Kultur an der Zürcher Hochschule der Künste unterscheidet zwischen Digitalisierung im engeren und weiteren Sinne:
“Digitalisierung ist, im ganzen engen Sinn, der Prozess der Überführung eines analogen Mediums in ein digitales. Man legt ein Buch auf den Scanner und hat nachher ein elektronisches ‘Buch’ ” (S. 3). Digitalisierung in einem erweiterten Sinn bezieht sich auf die “Veränderung von Prozessen, die mit diesen Medien organisiert werden. Dinge, die vorher mit analogen Medien organisiert wurden, werden nachher mit digitalen Medien organisiert. Aus dieser Perspektive ist Digitalisierung ähnlich wie Alphabetisierung” (S. 4).
Damit verändert Digitalisierung nach Stalder (2021) unsere Gesellschaft. Veränderungsprozesse sind in Analogie zum Buchdruck und zur Skriptographie zu beobachten:
“Aus dieser Perspektive ist Digitalisierung ähnlich wie Alphabetisierung. Auch diese kann man in einem engen Sinne verstehen, dass Menschen individuell Lesen und Schreibenlernen, und in einem weiten, dass die Gesellschaft als Ganzes sich verändert, weil Prozesse nun auf Basis von Schriftlichkeit und eben nicht Mündlichkeit organisiert werden. Digitalisierung ist ein ähnlicher Prozess, wo die Grundlagen gelegt werden, um neue Handlungsabläufe, aber auch neue Wahrnehmungsformen und neue Denkstrukturen zu entwickeln.” (S. 4)
“Die Digitalität […] ist das, was entsteht, wenn der Prozess der Digitalisierung eine gewisse Tiefe und eine gewisse Breite erreicht hat und damit ein neuer Möglichkeitsraum entsteht, der geprägt ist durch digitale Medien.” (Stalder, 2021, S. 4)
Dabei kann Stalder (2021) zufolge auch die Analogie zur Schriftkultur wieder aufgegriffen werden, denn “Digitalität verhält sich zu Digitalisierung wie die Buchkultur zur Alphabetisierung” (S. 4). Durch neue Kulturtechniken werden neue Möglichkeitsräume eröffnet, die wiederum unsere Gesellschaft verändern. Stalder (2018) spricht deshalb davon, dass wir in einer “Kultur der Digitalität” leben, wenngleich diese auch stark von Widersprüchen und ständigen Veränderungen geprägt ist, da diese Kultur sich “in einem Raum zwischen Zufall und Notwendigkeit entfaltet” (Dobusch, 2016).
Was Digitalisierung ist, reflektiert auch der Lehrer, Blogger und Autor Bob Blume in seinem Blog im Artikel “Digital: Was ist Digitalisierung?” aus dem Jahr 2019. Auch er verweist hier auf Stalders Werk “Kultur der Digitalität”, welches die gesamtgesellschaftliche Relevanz von Digitalisierung – und damit auch ihre Rolle in Bildungskontexten – in den Blick nimmt und die drei Aspekte Referenzialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität als Hauptcharakteristika einer “Kultur der Digitalität” herausstellt (vgl. Stalder, o.D.).
Referenzialität
Referenzialität bezieht sich auf die eigene kulturelle Handlung, indem eine eigene Referenz zur Realität hergestellt wird:
“Referenzialität bedeutet, dass jeder heute damit beschäftigt ist, aus einer unglaublichen Vielfalt von verfügbaren Referenzen – also bereits gemachten kulturellen Äußerungen, wie z. B. Bildern, Videos, Texten und so weiter – Dinge auszuwählen, und zu sagen, von diesen 100 Mio. Videos, die es gibt, ist mir jetzt gerade dieses eine wichtig.” (Stalder, 2021, S. 5)
Das Teilen von Artikeln über Facebook, das Hochladen eines Fotos auf Instagram oder das Retweeten einer Studie bei Twitter – dies alles stellt die persönliche Sichtweise des Individuums auf die Welt dar.
Gemeinschaftlichkeit
Die Referenzialität wird durch das Agieren in sozialen Netzwerken unterstützt. Damit ist die Kultur der Digitalität auch von Gemeinschaftlichkeit geprägt. Indem wir beispielsweise einen Artikel bei Twitter teilen, öffnen wir unsere Sicht für die anderen, die wiederum interagieren können. Durch ein “Like” wird beispielsweise erstens die eigene Sicht auf die Dinge bestätigt.
“Zweitens erweitert sich der eigene Informationshorizont, weil man ja auch die Ergebnisse der Auswahl der anderen, mit denen man verbunden ist, sieht. So entsteht ein geteilter Horizont, eine Weltsicht, die von einer mal größeren, mal kleineren Gruppe von Menschen geteilt wird. Drittens entsteht dadurch ein eigenes Profil, eine Identität, denn in sozialen Netzwerken ist man die Person, die man kommuniziert, und wenn man aufhört zu kommunizieren, dann verschwindet man, wird unsichtbar.” (Stalder, 2018)
Algorithmizität
Die Auswahl der Informationen über die Gemeinschaft und die eigene Referenz reicht jedoch noch nicht aus. Um die “Informationsflut” der Digitalisierung (scheinbar) zu beherrschen, werden Algorithmen benötigt.
Algorithmen sind maschinelle Prozesse, die aufgrund von Datenmengen Muster erkennen und entsprechend dieser dem Nutzer/der Nutzerin eine Auswahl der Informationen präsentieren: “Hat jemand ein Katzenbild gut gefunden, dann wird ihm oder ihr ein elftes Katzenbild gezeigt, in der Erwartung, dass das wieder gefallen wird.” (Stalder 2021, S. 6). Dabei entwickeln sich Algorithmen durch menschliches Verhalten weiter: “Das Like, das die Person, dann unter dieses Bild setzt, ist eine human-kognitive Bestätigung dieser [maschinellen] Auswahl, die auch als Feedback für die stete Anpassung dieses Algorithmus genutzt wird.” (Stalder 2021, S. 6). Algorithmen sind somit notwendig, um die Informations- und Datenmenge der Digitalisierung für menschliche Wahrnehmung zugänglich zu machen.
Neben dem Erkennen der gesamtgesellschaftlichen (und somit Zukunfts-)Relevanz von Digitalisierung ist es jedoch ebenso wichtig, sich der unspezifischen Verwendung des Begriffs “Digitalisierung” bewusst zu werden: So
“…muss man feststellen, dass viele den Begriff Digitalisierung so vage verwenden, dass er alles und nichts sein kann. Für manche ist Digitalisierung schlicht die Nutzung von Tablets, für andere Social-Media-Kommunikation, für wieder andere künstliche Intelligenz. […] Das Problem daran, dass der Begriff so schwammig ist (oder verwendet wird), ist, dass dies in einer Zeit passiert, in der der Digitalpakt bald Milliarden zur Verfügung stellt. Die Schulen werden reagieren. Wie sie das tun, hängt oftmals stark an der Perspektive, die sie gegenüber diesem schwammigen Wort einnehmen.” (Blume, 2019)
Bis dato orientiert sich das Bildungssystem an den Normen- und Wertevorstellungen des 20. Jahrhunderts; damit bereitet es Schüler*innen für die Aufgaben der Vergangenheit, nicht aber auf eine sich zunehmend verändernde Gesellschaft und ihre Herausforderungen vor.
Ihr wollt noch mehr erfahren?
Der Online-Kurs “Digitalisierung verstehen und gestalten” von Nele Hirsch im Auftrag des LISUM richtet sich an alle Menschen, die Schulentwicklung zeitgemäß gestalten wollen – und dazu einen praxisorientierten Einstieg suchen. In 8 Lerneinheiten werden wichtige Fragestellungen und Themen zum Lehren und Lernen in einer Kultur der Digitalität reflektiert.
Literaturverzeichnis
Blume, B. (2019). DIGITAL: Was ist Digitalisierung? Abgerufen am 17.08.2021: https://bobblume.de/2019/03/22/digital-was-ist-digitalisierung/.
Dobusch, L. (2016). Rezension: “Kultur der Digitalität” von Felix Stalder. Abgerufen am 17.08.2021: https://netzpolitik.org/2016/rezension-kultur-der-digitalitaet-von-felix-stalder/.
Stalder, F. (o. D.). Grundformen der Digitalität. Abgerufen am 17.08.2021: https://agora42.de/grundformen-der-digitalitaet-felix-stalder/.
Stalder, F. (2018). Herausforderungen der Digitalität jenseits der Technologie. Abgerufen am 17.08.2021: https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/herausforderungen-der-digitalitaet-jenseits-der-technologie-felix-stalder.
Hauck-Thum, U. & Noller, J. (Hg.) (2021). Was ist Digitalität. Philosophische und pädagogische Perspektiven. Berlin: J. B. Metzler.
Stalder, F. (2021). Was ist Digitalität? In U. Hauck-Thum & J. Nöller (Hg.), Was ist Digitalität. Philosophische und pädagogische Perspektiven (S. 3- 9). Berlin: J. B. Metzler.
Vogler, H.-J. (2021). Der hybride pädagogische Raum. Bielefeld: transcript Verlag.
2. Digitalisierung & ich
Um sich Ihrer eigenen Einstellungen und Haltungen zum Thema “Digitalisierung im Schulbereich” bewusst zu werden, haben wir hier konkrete Anlässe zur Reflexion über Ihren Umgang mit neuen Medien, Ihr eigenes Mediennutzungsverhalten sowie ein Check-in-Tool zur Überprüfung Ihrer digitalen Kompetenzen für Sie bereitgestellt:
Foto von Martin Widenka von Unsplash
Reflexion: Die Bleistift-Metapher
Um die verschiedenen Weisen, wie Lehrende mit neuen Medien umgehen, zu beschreiben, wird vielerorts gern auf die sog. “Bleistift-Metapher” zurückgegriffen:
Nutzen Sie die Metapher, um sich selbst darüber klarzuwerden
- Welche Rolle nehmen Sie ein?
- Welche Rolle nehmen Ihre Kolleg*innen ein? Kennen Sie “Spitzen”?
- Tauschen Sie sich mit Kolleg*innen aus: Wie ist das Verhältnis z. B. von “Muffen”, “Spitzen” und “Radierern” im Kollegium?
Für Kolleg*innen, denen die Bleistift-Metapher nicht so gut gefällt: Vielleicht können Sie ja mit Bob Blumes Dinosaurier (hier klicken) etwas anfangen? Oder haben Sie vielleicht eine eigene Idee für eine treffende Metapher (oder können diese gemeinsam mit Kolleg*innen erarbeiten)?
Reflexion: Meine eigene Mediennutzung
Um als Lehrer*in verantwortungsvoll handeln und kompetent die Medienkompetenz der Schüler*innen fördern zu können, hilft es, sich den eigenen Einstellungen und Haltungen zum Thema “Digitalisierung in der Schule”, aber auch den eigenen Kompetenzen im Bereich “Digital lehren und lernen” zu widmen. Hier finden Sie ein paar Anregungen:
- Beziehen Sie zunächst folgendes Zitat auf Ihr eigenes Mediennutzungsverhalten und reflektieren Sie:
“Denn es ist zuletzt doch nur der Geist, der jede Technik lebendig macht.”
Johann Wolfgang von Goethe
- Denken Sie über Ihr eigenes Mediennutzungsverhalten nach. Wie verhält es sich im Privaten, im universitären Kontext, im Vorbereitungsdienst, in der Schule?
- Finden Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Mediennutzungsverhaltens in den Lebensbereichen?
- Ergeben sich daraus Überlegungen und Anknüpfungspunkte für Ihre Ideenfindung für die zu planende Unterrichtssequenz?
- Vielleicht lassen sich Aspekte und Wissen aus einem Lebensbereich auf einen der anderen übertragen?
Reflexion: Meine digitale Kompetenzen als Lehrer*in
Nutzen Sie das “SELFIEforTEACHER”-Tool, um einen Überblick darüber zu gewinnen, in welchen Bereichen des digitalen Lehrens und Lernens Sie bereits kompetent unterwegs sind – und wo noch Nachholbedarf besteht. Es handelt sich bei dem Tool um einen Test mit gezielten Fragen. Sie müssen sich dafür kostenlos registrieren und erhalten am Ende eine Einschätzung und Tipps zur Weiterarbeit und ‑ausbildung Ihrer Kompetenzen.
Wenn Sie mehr zum Digital Competence Framework for Educators (DigCompEdu) erfahren wollen, klicken Sie bitte hier (Englisch).
3. Digitalisierung & meine Schule
In der digitalen Welt muss sich auch die Schule “neu […] erfinden, um einen zukunftsfähigen Unterricht zu gestalten. Es ist unsere Aufgabe ein neues Verständnis von Lernen und Lehren im 21. Jahrhundert zu gestalten, welches sich zum Teil fundamental von der 200 Jahre alten Traditionsschule unterscheidet. Die Schule – wie wir und unsere Eltern/Großeltern sie kennen – ist unserer Zeit entwachsen. Sie entstammt einem anderen Zeitgeist” – so Lehrer und Seminarleiter Jan Vedder, dessen Blogbeitrag “Schule im Wandel – Eine Geschichte in 15 Bildern” bereits vor Corona anschaulich aufzeigte, für welche Entwicklungen und Veränderungen sich die Schule wappnen muss.
Durch die Corona-Pandemie haben Schulen einen “Digitalisierungsschub” erfahren.
Um diesen “Schub richtig nutzen” und Herausforderungen und Chancen begegnen zu können, sollten Sie als (angehende) Lehrer*innen neben Ihren eigenen Fähigkeiten, der eigenen “Digitalisierungshaltung” und Ihrem eigenen Mediennutzungsverhalten auch das Ihrer “Wirkungsstätte”, Ihrer Schule, in den Blick nehmen und reflektieren:
Foto von Mika Baumeister von Unsplash
Digitale Bildung an Schulen
Aktuell existiert eine Vielzahl an Modellen, die verschiedene mit Digitalisierung bzw. Digitalität bzw. digitaler Bildung verbundene Prozesse, Zielsetzungen oder Kompetenzen veranschaulichen – und die Zahl wächst stetig. Einen guten Überblick bietet z. B. der Blog-Beitrag “Digitalien sucht das Supermodell” von Lehrer und Seminarleiter Jan Vedder.
Wichtig ist: Es gibt – wie so oft – nicht das “eine, richtige” Modell, welches an Schulen die Umsetzung und Förderung digitaler Bildung ermöglicht. Vielmehr gilt es, sich zunächst damit auseinanderzusetzen, welche Bedingungen an der Schule herrschen. Zentral ist dabei die Frage nach dem Mediennutzungsverhalten von Lehrer*innen, Schüler*innen und die Mediennutzungsmöglichkeiten an der Schule allgemein.
Einstieg digitale Medien und Reflexion zur Mediennutzung an der Schule
Das SAMR-Modell von Ruben R. Puentedura (2006) gehört zu den wohl am häufigsten zitierten “Modellen”, wenn es um Bildung und Digitalisierung geht. Ganz kurz zusammengefasst stellt es eine Reflexionshilfe zum Technologieeinsatz im Bildungskontext dar. Es eignet sich, “um Lehrenden, die eher auf analoge Lehrmittel zurückgreifen, die Vorzüge digitaler Werkzeuge näherzubringen. Am Modell lässt sich erklären, wie die Bearbeitung und Gestaltung von Aufgaben durch technische Hilfsmittel verbessert werden können.” (http://homepages.uni-paderborn.de/wilke/blog/2016/01/06/SAMR—Puentedura—deutsch/, letzter Zugriff am 05.08.2021). Die folgende Grafik stellt das Modell bildlich dar (für eine vergrößerte Darstellung bitte auf das Bild klicken):
An dem SAMR-Modell gibt es viel und sicher oft auch berechtigte Kritik. Insbesondere verleitet die Darstellung als Stufenmodell zu dem Trugschluss, man müsse Stufe für Stufe nacheinander erklimmen. Auch kann die Perspektive des Technologieeinsatzes zu einer wenig hilfreichen “Wo liegt der Mehrwert des Digitalen?”-Diskussion führen. Als Reflexionshilfe kann es allerdings auch hilfreich sein, wenn Bildung im Kontext der Digitalität neu gedacht werden soll.
Mehr übersichtliche Informationen zum SAMR-Modell erhalten Sie u. a. unter https://blog.medienzentrum-coe.de/samr/ (letzter Zugriff am 05.08.2021).
Die obige Grafik bietet sich u. a. dafür an, für sich alleine, aber auch gemeinsam mit Kolleg*innen zu diskutieren, wo Sie sich befinden – am Ufer? Im U‑Boot?
Wie werden Medien in der Schule und im Unterricht eingesetzt?
Welche digitalen Geräte stehen zur Verfügung? Bedenken Sie auch, welche digitalen Geräte den Schüler*innen zuhause zur Verfügung stehen.
Welche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen werden gefördert?
Welchen “Schub” hat Ihre Schule eventuell durch Corona erfahren? Welche Schwächen wurden offengelegt – und welche Stärken sichtbar?
Wandel der Lern- und Prüfungskultur durch die Digitalität
In der ergänzenden Empfehlung “Lehren und Lernen in der digitalen Welt” zur KMK-Strategie “Bildung in der digitalen Welt” (09.12.2021) steht
“Durch die Digitalität werden neue Lernszenarien ermöglicht, welche auf der Grundlage dieser Aspekte guten Unterrichts zu entwickeln sind. Zur Förderung und zur Weiterentwicklung des Lehrens und Lernens in der digitalen Welt bedarf es neben der grundsätzlichen Veränderung und Erweiterung von Lernangeboten auch der Entwicklung einer neuen Aufgaben- und Prüfungskultur. Hierbei gilt es, die interdependente Verknüpfung von Lernzielen und zu erwerbenden Kompetenzen, von Lehr-Lern-Methoden und Aufgabenkultur sowie der Prüfungskultur zu berücksichtigen.”
Der Lehrer und Lehrer*innenfortbilder Patrick Bronner schlussfolgert:
“Die Digitalisierung des Unterrichts wird nur dann erfolgreich sein, wenn damit auch ein Wandel der Lern- und Prüfungskultur verbunden ist.”
Beispiele für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur zeigt Patrick Bronner auf seiner Internetseite www.patrickbronner.de. Stimmen und Modelle zu zukunftsorientiertem, personalisiertem Unterricht finden Sie auch auf der Seite eTeaching in der Praxis in diesem Online-Kurs.
Digitalisierung als Verstärker
Durch digitale Medien verändert oder verbessert sich Lernen und nicht automatisch in eine bestimmte Richtung. Lernen wird, wie Jöran Muuß-Merholz in seinem Blogbeitrag “‘Die Digitalisierung der Schule’ als doppelter Genitiv” schreibt, durch digitale Medien “nicht automatisch einfacher oder individueller oder effizienter oder unpersönlicher. Schulen werden durch digitale Medien nicht automatisch moderner oder demokratischer oder ökonomischer oder inklusiver. Es ist vielmehr so, dass digitale Medien als extrem mächtige Verstärker fungieren können. Sie verstärken nicht eine bestimmte Richtung, sondern in der jeweiligen Situation vorhandene Muster, Tendenzen, Ziele und Interesse.”
“Wir digitalisieren zuerst das, was sich am einfachsten digitalisieren lässt, und nicht etwa das, was an bestimmten Zielen ausgerichtet am sinnvollsten wäre.”
In der Schule sieht man aus diesem Grund Beispiele für interaktive und digitale Quizaufgaben, Erklärvideos, Onlinekurse und digitale Whiteboards. Weniger häufig kommen kollaborative Projekte mit digitalen Tools, personalisiertes Lernen und breit angelegte agile und digitale Schulentwicklung vor.
“Optimieren wir im 21. Jahrhundert die Schule, die im 19. Jahrhundert geprägt und im 20. Jahrhundert gefestigt wurde? Oder verbinden wir mit dem digitalen Wandel eine Neuausrichtung von Schule, in der nicht nur Lernformen, sondern auch unsere Bildungsziele und Lerninhalte auf den Prüfstand kommen.”
Mehr zum Thema “Digitalisierung als Verstärker” finden Sie in dem Blogbeitrag von Jöran und Konsorten “‘Die Digitalisierung der Schule’ als doppelter Genitiv” unter www.joeran.de.
4. Digitalisierung & meine Schüler*innen
Die beinah unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Medien stellen Lehrkräfte an Schulen vor große Herausforderungen: Vorbereitung und Durchführung zeitgemäßen Unterrichts in einer digitalen Landschaft unterscheidet sich zum Teil erheblich von den herkömmlichen analogen Unterrichtskonzeptionen zur Wissensvermittlung. Die hohe Aktualität dieser Herausforderungen wird sowohl durch zahlreiche Studien als auch durch Kompetenzanforderungen der Lehrer*innenausbildung und ‑fortbildung belegt.
Im Mittelpunkt steht dabei häufig die Frage nach der Förderung “neuer” Kompetenzen unserer Schüler*innen. Wo finde ich diese, was ändert sich und was benötigen meine Schüler*innen für ihre Zukunft in einer digitalen Welt?
Foto von Brooke Cagle von Unsplash
Was ist eigentlich Medienkompetenz?
Ein Stichwort, das dabei immer wieder viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Medienkompetenz. Was damit im Kontext von Schule sowohl für Schüler*innen als auch für Lehrkräfte gemeint ist, ist u. a. im Medienkompetenzrahmen NRW festgehalten.
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Rahmenbedingungen und strukturelle Aspekte zur Förderung von Medienkompetenz, wie z. B. die Strategie der Kultusministerkonferenz zur Bildung in der digitalen Welt. Eine Übersicht über zentrale Dokumente haben wir in dieser interaktiven Online-Präsentation in dem Tool “Prezi” für Sie zusammengefasst.
Zudem finden sich auf der Homepage des hier vorgestellten Medienkompetenzrahmen NRW weitere Informationen und konkrete Unterrichtsideen zur Förderung der Medienkompetenz Ihrer Schüler*innen.
"Neue" Kompetenzen für Schüler*innen
Noch bevor viele Schulen sich der Digitalisierung ausgiebig widmen konnten, kam es zu Schulschließungen aufgrund der Coronapandemie im Frühjahr 2020 – und die Debatte um die Notwendigkeit digitaler Kompetenzen nahm besondere Fahrt auf. Der Umstand, dass Schüler*innen plötzlich von zuhause aus lernen mussten, rückte “neue”, zukunftsfähige Formen des Lehrens und Lernens wieder stärker in den Fokus. Debatten um digitale Ausstattung, die Entwicklung von Medienkonzepten sowie neue (digitale) Lehr- und Lernformate prägten sowohl den Distanz- wie auch den phasenweise stattfindenden Hybrid- oder Präsenzunterricht.
In der öffentlichen Debatte wurde dabei häufig vernachlässigt, dass Schüler*innen auch Kompetenzen benötigen, die über das Bedienen und Anwenden digitaler Medien weit hinausgehen und ihnen stattdessen konkret eine Teilhabe an der digitalen Welt ermöglichen.
Hier kommt neben den “4C”/”4K” (communication, collaboration, critical thinking, creativity; vgl. Fadel, Bialik & Trilling, 2015; deutsche Übersetzung verfügbar unter https://www.joeran.de/wp-content/dox/sites/10/4K-Skills-Vier-Dimensionen-der-Bildung-Kap-4.pdf) auch den durch die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) ergänzten Kompetenzen “Citizenship” und “Character Development“ viel Bedeutung zu:
Erweiterte Grafik vom ZfL der Universität zu Köln angelehnt an “Was die Leute für 4K halten – und was es wirklich ist” von Jöran Muuß-Merholz | CC BY-SA 4.0
“The knowledge world is no longer divided between specialists and generalists. A new group-let’s call them ‘versatilists’-has emerged. […] They are capable not only of constantly adapting, but also constantly learning and growing in a fast-changing world.” (Eigene Übersetzung: “Die Welt des Wissens ist nicht mehr in Spezialisten und Generalisten unterteilt. Eine neue Gruppe – nennen wir sie ‘Versatilisten’ hat sich gebildet. […] Diese sind nicht nur in der Lage, sich konstant anzupassen, sondern auch in einer sich rapide verändernden Welt konstant zu lernen und zu wachsen.” (http://www.oecd.org/general/thecasefor21st-centurylearning.htm, letzter Zugriff am 13.07.2021))
Lesen Sie sich den Blog-Artikel “DIE 4K-SKILLS: WAS MEINT KREATIVITÄT, KRITISCHES DENKEN, KOLLABORATION, KOMMUNIKATION?” durch und überlegen Sie:
- Was tue ich bereits, um die 4K meiner Schüler*innen zu fördern?
- Welche der 4K sind bei mir selbst (am wenigsten/am meisten) ausgeprägt?
- Inwiefern lässt sich die Förderung der zusätzlichen 2K “Citizenship” und “Character Development” in meinen Unterricht implementieren?
- Welche Bedeutung haben diese 2K für mich – und welche für die Lebenswelt meiner Schüler*innen?
Reflexion: Wie bereite ich meine Schüler*innen vor?
Um unsere Schüler*innen auf diese Welt des Wissens vorzubereiten, gilt es, sich als (angehende) Lehrkraft Fragen zu stellen wie:
- Wie können wir Schüler*innen auf ein Leben in einer digitalisierten Gesellschaft vorbereiten?
- Welche Kompetenzen benötige ich, um diesen Anforderungen gerecht zu werden?
- Wie sollen wir unter den momentanen Bedingungen an Schule modernen hybriden Unterricht konzipieren?
Reflektieren Sie für sich und tauschen Sie sich ggf. mit Kolleg*innen darüber aus.
Weiterführendes
Folgende Links und dahinterstehende Video und Präsentation sind von der CC-Lizenzierung dieses Online-Kurses ausgeschlossen.
- Video von Birgit Eickelmann: Corona gefährdet Chancengleichheit, ausgestrahlt am 13.04.2020 im After Corona Club im NDR-Fernsehen
- Präsentation “Bildung in der digitalen Welt” von Birgit Eickelmann, Gastvortrag im Rahmen des Pädagogischen Fachtages “Bildung in der digitalen Welt: Lernen individuell gestalten” am 27.03.2019 in Siegen