Diagnostische Herausforderungen
Noch immer bleiben psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung häufig unentdeckt, sodass die Dunkelziffer psychischer Störungen vermutlich sehr hoch ist.
Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass der diagnostische Prozess für Psycholog*innen, Pädagog*innen, Ärzt*innen sowie Bezugspersonen bei ihnen mit methodischen und strukturellen Schwierigkeiten verbunden ist.
So sucht oftmals nicht der betroffene Mensch um Hilfe, sondern Betreuungs- und Bezugspersonen, die sich belastet oder überfordert fühlen und eine Verhaltensänderung bemerken 1.
Dazu müssen diese den betroffenen Menschen gut kennen, ihn intensiv beobachten und das Verhalten aus vielfältigen Perspektiven interpretieren.
Der Personenkreis um Menschen mit einer geistigen Behinderung bildet eine sehr heterogene Gruppe, sodass die abgebildeten Herausforderungen ebenso heterogen auftreten können.
Um mögliche Schwierigkeiten zu meistern, und so das Recht auf Selbstbestimmung, Teilhabe und Partizipation zu gewährleisten, bedarf es der Assistenz und Hilfestellung von Bezugspersonen, beispielsweise durch Unterstützung in der Kommunikation.
Voraussetzung ist ein umfangreiches Wissen über mögliche Hürden bei der Inanspruchnahme von Hilfe.
Informieren Sie sich über die möglichen Schwierigkeiten, indem Sie die Informations-Icons anklicken oder antippen.
Die größte Schwierigkeit bezieht sich jedoch auf die Interpretation der beobachteten Verhaltensauffälligkeiten, die multiple Ursachen haben können.
Eine Übersicht der zu berücksichtigenden differentialdiagnostischen Perspektiven finden Sie auf der nächsten Seite.
Literatur
1 Došen, A. (2018): Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Ein integrativer Ansatz für Kinder und Erwachsene. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe.
2 Schmidt, H. & Mair, S. (2014): Strukturelle und methodologische Besonderheiten in der Diagnostik bei geistig Behinderten. In C. Schanze (Hrsg.), Psychiatrische Diagnostik und Therapie bei Menschen mit Intelligenzminderung. Ein Arbeits- und Praxisbuch für Ärzte, Psychologen, Heilerziehungspfleger und -pädagogen (S. 30-33). 2. Auflage. Stuttgart: Schattauer.
3 Sarimski, K. & Steinhausen, H.-C. (2008): Psychische Störungen bei geistiger Behinderung. Göttingen: Hogrefe.
4 Sarimski, K. (2011): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Prävalenz und Prävention. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 60, 510-526.
5 Hennicke, K. (2011): Psychotherapie – ein notwendiges Angebot. In K. Hennicke (Hrsg.), Praxis der Psychotherapie bei erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung (S. 7-22). Marburg: Lebenshilfe Verlag.