Normal und nicht normal?
Durch eine alltagstheoretische Sichtweise, in der Behinderung als Normabweichung oder Andersartigkeit verstanden wird, entstehen zwei Gruppen:
- Die “Nicht-Behinderten”, die nicht von der Norm abweichen
- Die “Behinderten”, die von der Norm abweichen
Daraus entstehen Unterscheidungen wie “normal/nicht normal”, “behindert/nicht behindert”, “eingeschränkt/nicht eingeschränkt” etc. Aufgrund der hier vorgenommenen Unterscheidung von Menschen anhand von Normalitätsvorstellungen, lässt sich hier auch von einer Zwei-Gruppen-Theorie sprechen.1
Reflexionsaufgabe
Sehen Sie Probleme bei der alltagstheoretischen Definition von Behinderung?
Hier finden Sie eine kritische Sichtweise auf die alltagstheoretische Definition.
Ausgehend davon, dass Behinderung im alltagstheoretischen Verständnis als eine Abweichung von der Norm zu definieren ist, werden die Grenzen dieser Theorie sichtbar. Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Sie kommen in eine Gruppe, die aus neun nicht hörenden Personen besteht, die ausschließlich in Gebärdensprache kommunizieren. Sie sind hörend und sprechen keine Gebärdensprache. Somit entsprechen Sie nicht der Norm dieser Gruppe. Wer in der Gruppe gilt nun als „behindert“, wenn Behinderung eine Abweichung von der Norm ist?
Problematisch ist, dass die alltagstheoretische Definition von Behinderung nur solange funktioniert wie es eine feststehende gesellschaftliche Norm gibt – bewegt man sich in nicht alltäglichen Strukturen und Kontexten, so greifen diese nicht.2
Literatur
1 Vgl. Hinz, A. (2007): Inklusion – Vision und Realität! Herausforderungen in Deutschland und Praxis in Kanada. In: Katzenbach, D. (Hrsg.): Vielfalt braucht Struktur. Heterogenität als Herausforderung für die Unterrichts- und Schulentwicklung. Universität Frankfurt, S.81-98.
2 Vgl. Sasse, A. & Moser, V. (2016): Klassifizierungssysteme und Behinderungsbegriffe. S.138f. In: Hedderich, I./Biewer, G./Hollenweger, J./Makrowetz, R. (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S.138-45.