Beobachtungen und körpernahes Arbeiten der professionellen Unterstützer*innen
Wie können Menschen mit Komplexer Behinderung bei einer bewegungsorientierten Alltagsgestaltung unterstützt werden?
Beobachtung der Bewegungsmöglichkeiten:
- individuelle Bewegungsmöglichkeiten der Person kennen (können je nach Setting und unterstützender Person verschieden sein)
- Geräusche, Gerüche, Gegenstände können Bewegung beeinflussen (können hinderlich oder Auslöser von Bewegung sein)
- Bewegungsmöglichkeiten des Kopfs, Rumpfs, der Arme und der Beine der Person fokussieren
- auch Position, Lagerung und Verwendung von Hilfsmitteln erfassen
Mithilfe der Beobachtungen können günstige Ausgangssituationen und Voraussetzungen für Bewegungen einer Person erfasst und mit entsprechender Gestaltung die Eigenaktivität unterstützt werden.2 Das Problem im Alltag, Handlungen und Reaktionen des Menschen mit Behinderung auf ein Angebot wahrzunehmen und zu interpretieren, kann mit der folgenden Tabelle erleichtert werden.3
Neben den individuellen Bewegungsmöglichkeiten der Person gilt es also auch stets auf generelle Reaktionen zu achten, um Vorlieben und Interessen bei Aktivitäten zu erkennen. Sowohl die Gestik und Mimik als auch Körperbewegungen und Atmung der Menschen mit Komplexer Behinderung ohne Verbalsprache können berücksichtigt werden, um Zustimmung, Ablehnung oder die körperliche Befindlichkeit zu interpretieren.4
Körpernahes Arbeiten:
- Arbeit mit dem Personenkreis meist von Körpernähe geprägt (z.B. bei Positionsveränderungen, Herantragen von Wahrnehmungsreizen…)
- Jede Berührung oder unterstützende Handgriffe gilt es mit Respekt vor der Körperlichkeit des Menschen mit Komplexer Behinderung durchzuführen.
- größtmögliche Übereinstimmung mit dem Gegenüber: Basis dafür ist eine positive und vertrauensvolle Beziehung.5
Die Unterstützer*innen lernen gemeinsam mit den Menschen mit Komplexer Behinderung, „Bewegung wahrzunehmen, anzupassen und gemeinsame Bewegungskompetenzen zu entwickeln“6. Das gemeinsame Lernen ist Grundlage für die Unterstützung.1
Literatur
1 Weidmann, E. & Riedwyl-Hurter, C. (2019). Begleiten – Bewegungskompetenz der Begleitperson. In PluSport Behindertensport Schweiz (Hrsg.), Sport ohne Grenzen. Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 36-43). Herzogenbuchsee: INGOLDVerlag. S. 36
2 Häusermann, S. (2019). Erfahrungs- und Erlebnisbereiche in Bewegung und Sport. In PluSport Behindertensport Schweiz (Hrsg.), Sport ohne Grenzen. Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 26-35). Herzogenbuchsee: INGOLDVerlag. S. 27, 34f.
3 Scheid, V. & Kuckuck, R. (2002). Konstruktion und Erprobung eines motoskopischen Verfahrens für schwer- und schwerstbehinderte Menschen. In P. Kapustin, R. Kuckuck & V. Scheid (Hrsg.), Bewegung und Sport bei schwer- und mehrfachbehinderten Menschen (S. 67-84). Aachen: Meyer & Meyer Verlag. S. 76f.
4 Sabo, T. & Terfloth, K. (2014). Lebensqualität durch tätigkeits- und arbeitsweltbezogene Angebote. In A. Fröhlich, N. Heinen, T. Klauß & W. Lamers (Hrsg.), Schwere und mehrfache Behinderung – interdisziplinär (S. 345-366). Oberhausen: ATHENA. S. 358
5 Schoo, M. & Mihajlovic, C. (2021). Sport, Spiel und Bewegung für Menschen mit mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. S. 47ff.
6 Niemann, C. (2018). Kinästhetische Mobilisation als Aktivierung für KlientInnen und Entlastung für AssistentInnen. In N. Maier-Michalitsch (Hrsg.), Gesundheit und Gesunderhaltung bei Menschen mit Komplexer Behinderung (S. 233-240). Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. S. 234