Menschen mit Komplexer Behinderung
Zunächst wird genauer erläutert, um welche Personengruppe es in diesem Lernmodul gehen wird. Neben der Bezeichnung Menschen mit Komplexer Behinderung, finden sich viele andere Begrifflichkeiten, wie etwa Menschen mit schwerer oder schwerster Behinderung, mit intensiver Behinderungserfahrung oder mit basalen Bedürfnissen. Bisher hat sich keine Bezeichnung allgemein durchgesetzt, um die heterogene Gruppe von Menschen zu benennen.1
Der Begriff Menschen mit Komplexer Behinderung wurde von Barbara Fornefeld entwickelt. Sie möchte damit andere verwendete Namen vermeiden, die lediglich die Person beschreiben und dabei die Kontextfaktoren und Lebenswelt außer Acht lassen. Die Großschreibung des Wortes ‚Komplex‘ verdeutlicht, dass es sich nicht um eine Beschreibung der Behinderung, sondern der Lebensumstände der Personen handelt. Es handelt sich um Menschen, die zwar unterschiedliche Schwierigkeiten in der Lebensgestaltung haben, aber auf ähnliche Weise in ihrer Lebensqualität eingeschränkt werden und auf Unterstützung angewiesen sind.2
Aber wie sieht die Lebenswirklichkeit der Personengruppe aus?
Menschen mit Komplexer Behinderung…
- bringen ihre eigenen Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse wie ihre Ansprüche unzureichend zum Ausdruck.
- verfügen meist über keine ausreichende Verbalsprache.
- sind in besonderem Maße von der Zuwendung der Bezugspersonen abhängig.
- sind in Einrichtungen häufig mit unqualifiziertem Personal und unprofessionellem Verhalten konfrontiert.
- zeigen abweichendes, aggressives oder selbstverletztendes Verhalten, was zum Ausschlusskriterium wird.
- wird die Rolle des ‚Störers‘ zugewiesen, die die eigene Identität beeinflusst.
- machen im Laufe ihres Lebens verstärkt Erfahrungen des ‚Scheiterns‘ sowie des Abbruchs sozialer Beziehungen.
- sind häufig wechselnden und nicht koordinierten medizinisch-therapeutischen und pädagogisch-psychologischen Interventionen ausgesetzt.
- sind in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt als Pflegefälle abgestempelt, und aus der Behindertenhilfe (Eingliederungshilfe) ausgeschlossen zu werden.
- sind in Einrichtungen häufig Gewalterfahrungen ausgesetzt.
- bilden eine heterogene Gruppe mit gleichen Exklusionserfahrungen.” 2
Literatur
1 Lamers, W., Musenberg, O. & Sansour, T. (2021). Qualitätsoffensive – Teilhabe von erwachsenen Menschen mit schwerer Behinderung. Grundlagen für die Arbeit in Praxis, Aus- und Weiterbildung. Bielefeld: wbv Publikation.
2 Fornefeld, B. (2008). Menschen mit Komplexer Behinderung. Klärung des Begriffs. In B. Fornefeld (Hrsg.), Menschen mit Komplexer Behinderung. Selbstverständnis und Aufgaben der Behindertenpädagogik (S. 50-81). München: Reinhardt. S. 57f.