(In-)Aktivität im Alltag
Das Bedürfnisspektrum von Menschen mit Komplexer Behinderung beinhaltet mit dem Bedürfnis nach Erholung und Entspannung unter anderem den Wechsel von Aktivität und Entspannung und das Bedürfnis nach Abwechslung in bzw. vom Alltag, wozu zum Beispiel auch sportliche Betätigung als Möglichkeit genannt wird.1 Im Alltag ist ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung üblich:
„Es bedarf Anspannung in Form von physischer, psychosozialer oder geistiger Anstrengung, um Entspannung sowohl spüren als auch genießen zu können und einen zufriedenen Alltag zu erleben“2. Gerade neue Erfahrungen oder körperliche Aktivitäten eigenen sich, um Anspannung zu erleben. Eine vielfältige Tagesgestaltung ist daher von Bedeutung.2
Für Menschen mit Komplexer Behinderung können einerseits Strukturen im Alltag von Bedeutung sein. Andererseits gilt es aber auch das Bedürfnis nach vielfältigen Erfahrungen und Beschäftigungen zu berücksichtigen. Das kann kleine Alltagsaspekte betreffen, wie etwa ein anderer Brotaufstrich, aber auch Angebote im Lebensbereich Freizeit.3
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Im Alltag kann es vorkommen, dass das Bedürfnis nach Bewegung von den Unterstützer*innen der Menschen mit Komplexer Behinderung nicht gesehen wird oder die personelle Situation die Integration von Bewegungsangeboten erschwert. So kann es zu langen Zeitspannen der Inaktivität kommen oder Menschen bewegen sich in den bereits thematisierten stereotypen Mustern, um sich selbst zu stimulieren.9 Wenn Menschen mit Komplexer Behinderung ein eintöniges und ereignisloses Leben haben, können sie ihre Fähigkeiten und ihr Können nicht einbringen und werden gesellschaftlich ausgegrenzt, da sie weiter beispielsweise mit Unfähigkeit und Aktivitätseinschränkungen in Verbindung gebracht werden. Wie ein anregender, bewegender und inspirierender Alltag aussieht, wird subjektiv unterschiedlich empfunden, aber das bereits hervorgehobene Wohlbefinden des Menschen sollte jederzeit im Fokus stehen.10
Dass Bewegung für den Personenkreis ein Bedürfnis ist und eine große Bedeutung haben kann, ist deutlich geworden. Aber wie kann darauf mehr eingegangen werden?
Mit einer bewegungsorientierten Alltagsgestaltung für Menschen mit Komplexer Behinderung: Überall im Alltag des Personenkreises kann mehr Bewegung integriert werden. Eine bewegungsorientierte Alltagsgestaltung umfasst sowohl alltägliche wiederkehrende (zum Beispiel pflegerische) Situationen, in die Bewegung integriert werden kann, als auch Bewegung in Freizeitangeboten als Teil des Alltags für Menschen mit Komplexer Behinderung. Welche Aspekte es dabei zu beachten gibt und wie eine Umsetzung aussehen kann erfahren Sie auf den folgenden Seiten.
Literatur
1 Dins, T. & Smeets, S. (2021). Bedürfnisse im Leben von Menschen mit Komplexer Behinderung. In B. Fornefeld (Hrsg.), Teil ¬ sein & Teil ¬ haben®. Wünschen – Gestalten – Leben. Wissenswertes zur Teilhabeorientierten Lebensbegleitung Erwachsener mit Komplexer Behinderung (S. 78-155). Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
2 Richter, B. & Thäle, A. (2018). Same same but different – Herausforderungen der Alltagsgestaltung in Förder- und Betreuungseinrichtungen. In W. Lamers (Hrsg.), Teilhabe von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung an Alltag, Arbeit, Kultur (S. 69-82). Oberhausen: ATHENA. S. 69f.
3 Fornefeld, B., Keeley, C., Dins, T., Smeets, S. & Schaad, A. (2019). Abschlussbericht des Modellprojektes “Teil ¬ sein & Teil ¬ haben”®. Verfügbar unter: https://kups.ub.uni-koeln.de/11815/1/Projektbericht_teilsein-teilhaben_2019.pdf. S. 106
4 Lamers, W., Musenberg, O. & Sansour, T. (2021). Qualitätsoffensive – Teilhabe von erwachsenen Menschen mit schwerer Behinderung. Grundlagen für die Arbeit in Praxis, Aus- und Weiterbildung. Bielefeld: wbv Publikation. S. 50
5 Opaschowski, H. W. (1987). Pädagogik und Didaktik der Freizeit. Opladen: Leske + Budrich. S. 85f.
6 Theunissen, G. (2000). Lebensbereich Freizeit – ein vergessenes Thema für Menschen, die als geistig schwer- und mehrfachbehindert gelten. In R. Markowetz & G. Cloerkes (Hrsg.), Freizeit im Leben behinderter Menschen. Theoretische Grundlagen und sozialintegrative Praxis (S. 137-149). Heidelberg: Ed. S. S. 143
7 Theunissen, G. & Wüllenweber, E. (2020). Entwicklung von Freizeitkompetenzen für geistig behinderte Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. In E. Wüllenweber & G. Theunissen (Hrsg.), Zwischen Tradition und Innovation. Methoden und Handlungskonzepte in der Heilpädagogik und Behindertenhilfe. Ein Lehrbuch und Kompendium für die Arbeit mit geistig behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (S. 81-87). Marburg: Lebenshilfe-Verlag. S. 83
8 Markowetz, R. (2012). Freizeit im Leben von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. In N. J. Maier-Michalitsch & G. Grunick (Hrsg.), Freizeit bei Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 9-49). Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
9 Seifert, M., Fornefeld, B. & Koenig, P. (2008). Zielperspektive Lebensqualität. Eine Studie zur Lebenssituation von Menschen mit schwerer Behinderung im Heim. Bielefeld: Bethel-Verlag. S. 187f.
10 Lamers, W. & Molnár, T. (2018). Ein Leben in Vielfalt – auch für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. In W. Lamers (Hrsg.), Teilhabe von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung an Alltag, Arbeit, Kultur (S. 21-35). Oberhausen: ATHENA. S. 23ff.