Bewegungsangebote in den Alltag integrieren
Oft sind Alltagssituationen an viele verschiedene Faktoren gebunden und daher nur schwierig abänderbar.1 Um neue Angebote in den Alltag der Menschen mit Komplexer Behinderung zu integrieren, ist es wichtig, diese in vertraute Strukturen und mithilfe von Ritualen einzubinden.2 Offenheit für Neues entsteht eher, wenn die Umgebung und Abläufe klar sind und eine bekannte Person dabei ist, der vertraut wird.3 Eine Gewöhnung an neue Alltagssituationen kann bei dem Personenkreis länger dauern und bedarf daher einer Vorbereitung sowie stetiger Reflexion.4 Indem immer wieder allein oder im Team über Angebote und Strukturen reflektiert wird, kann auch einer Überforderung der Menschen entgegengewirkt werden.1
Um ein Bewegungsangebot gut in den Alltag zu integrieren, ist es hilfreich, eine gleichbleibende Struktur beizubehalten. Wiederholende Abläufe bieten Orientierung und schaffen Vertrauen.
- Einstimmung: Die Aktivität und ein damit verbundener möglicher Raumwechsel sollten vorbereitet und mithilfe einer kleinen Einstimmung, beispielsweise das Befühlen eines Igelballs, ein geeigneter Übergang geschaffen werden. In dieser Einstimmung ist es wichtig auf die Befindlichkeit und körperliche Verfassung der Person zu achten. Unter Berücksichtigung der individuellen Kommunikationsmöglichkeiten sollte auf mögliche Ablehnung geachtet und diese akzeptiert werden.2,5
- Beginn: Der Beginn sollte in ritualisierter Form durchgeführt werden. Das Bewegungsangebot sollte Situationen schaffen, die eine eindeutige Abwechslung zum Alltag darstellen. Indem der Beginn konstant gleich gestaltet wird, ist eine Abgrenzung zum Vorherigen einfacher zu erkennen.
- Individuelle Angebote, Angebote in der Gruppe: Das individuelle Bewegungsangebot eignet sich, um konkret auf den jeweiligen Menschen mit Komplexer Behinderung mitsamt seinen Erfahrungen und Möglichkeiten eingehen zu können. Damit kann eine Überforderung, etwa durch zu viele Reize, verhindert werden. Angebote in einer Gruppe bieten hingegen die Möglichkeit, gemeinsam aktiv zu werden und Bewegung in einem sozialen Kontext zu erleben.
- Ende: Auch das Ende des Bewegungsangebots sollte schließlich mit einem Ritual gestaltet werden. Es kann sowohl Musik zum Einsatz kommen, die akustisch das Ende einläutet oder auf taktiler Ebene kommt die Gruppe nochmal zusammen und macht den Schluss erfahrbar. Auch visuelle Signale können auf die bestehende Situationsveränderung und den möglichen Ortswechsel vorbereiten. Somit sollte ein geeigneter Übergang in die an das Bewegungsangebot anschließende Situation geschaffen werden, wo dann auch die Bewegungserlebnisse nachbereitet werden können.5
Literatur
1 Lamers, W., Musenberg, O. & Sansour, T. (2021). Qualitätsoffensive – Teilhabe von erwachsenen Menschen mit schwerer Behinderung. Grundlagen für die Arbeit in Praxis, Aus- und Weiterbildung. Bielefeld: wbv Publikation. S. 22, 24
2 Häusermann, S. (2019c). Erfahrungs- und Erlebnisbereiche in Bewegung und Sport. In PluSport Behindertensport Schweiz (Hrsg.), Sport ohne Grenzen. Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (S. 26-35). Herzogenbuchsee: INGOLDVerlag. S. 26, 30
3 Fröhlich, A. (2014). Aktivitäten des täglichen Lebens schwerstbehinderter Menschen. In A. Fröhlich, N. Heinen, T. Klauß & W. Lamers (Hrsg.), Schwere und mehrfache Behinderung – interdisziplinär (S. 229-240). Oberhausen: ATHENA. S. 236
4 Richter, B. & Thäle, A. (2018). Same same but different – Herausforderungen der Alltagsgestaltung in Förder- und Betreuungseinrichtungen. In W. Lamers (Hrsg.), Teilhabe von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung an Alltag, Arbeit, Kultur (S. 69-82). Oberhausen: ATHENA. S. 79
5 Kuckuck, R. (2002). Praxiskonzepte zur Förderung und Erziehung schwerstbehinderter Menschen. In P. Kapustin, R. Kuckuck & V. Scheid (Hrsg.), Bewegung und Sport bei schwer- und mehrfachbehinderten Menschen (S. 17-66). Aachen: Meyer & Meyer Verlag. S. 53, 60ff.